Kirche St. Hildegard
Schon mancher, auch aus dem katholischen Klerus Berlins, hat sich auf der Suche nach der katholischen St.-Hildegard-Kirche in den Straßen von Frohnau verfahren. Das Gelände an der Senheimer Straße 35-37 mit der Kirche, dem Gemeindehaus und dem Kindergarten findet sich in der Tat auch nicht an so exponierter Stelle wie die große evangelische Johanneskirche am Zeltinger Platz. Beide Gebäude und Gemeinden stehen in einer Verbindung: Das Gebäude in der Senheimer Straße diente der jungen evangelischen Kirchengemeinde in Frohnau von 1921 bis zur Weihe des Neubaus am Zeltinger Platz 1935 als so genannte „Notkirche“.
Das 1913 in der damaligen Lichtensteinallee fertiggestellte Gebäude wurde ursprünglich als Turn- und Gymnastikhalle für eine Privatschule errichtet, die aber aufgrund des ersten Weltkrieges nie vollendet wurde. Wer die heutige St.-Hildegard-Kirche betritt, dem werden auf der linken Seite die charakteristischen Mauerdurchbrüche auffallen, hinter denen sich der Raum für die Turngeräte befand – eine Anordnung, die sich bis heute in der Konzeption von Turnhallen wiederfindet. Indes: Die Zeit der Leibesertüchtigung in diesem Raum war kurz. In der Folge des ersten Weltkrieges wurde hier ab dem 1. August 1914 ein Reservelazarett eingerichtet und erst 1920 wieder aufgelöst.
Das katholische Leben in den teilweise noch selbständigen nördlichen Vororten Berlins entwickelte sich Anfang des 20sten Jahrhunderts aus kleinen Anfängen. Der unselbständige Seelsorgebezirk (Kuratie) Hermsdorf zählte 1906 etwa 1500 Katholiken und umfasste die Gebiete Hermsdorf, Frohnau, Glienicke, Stolpe, Schönfließ, Hohen Neuendorf, Birkenwerder, Schildow, Summt, Waidmannslust und Lübars und war mit einem Seelsorger besetzt.
Die wachsende Besiedelung der Außenbezirke Berlins veranlasste den Berliner Bischof Nikolaus Bares nach 1934 zur planmäßigen Bildung neuer eigenständiger Gemeinden. An eine eigene katholische Gemeinde samt Kirche in Frohnau war zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht zu denken. Der geplante Neubau der evangelischen Johanneskirche veranlasste die Frohnauer Katholiken Dr. Carl Bresser, Carl Rausch, Anton Dargel, Ewald Goebel, Max Janssen und Hans-Kilian Kessler zur Gründung eines so genannten Katholikenausschusses, der mit dem evangelischen Gemeindekirchenrat und dem Bistum Berlin über den Kauf der evangelischen Notkirche und die Bildung einer eigenen Gemeinde in Frohnau verhandelte. Auch die Hitler-Jugend hatte erhebliches Interesse an dem Gelände. Die katholischen Bemühungen aber hatten Erfolg: Am 23. Juni 1936 konnte der Kaufvertrag für die Kirche und das bisherige evangelische Pfarrhaus in der Markgrafenstraße 74 beurkundet werden. Hier liegt sicher eine Quelle für eine lebendige Ökumene der beiden Kirchengemeinden in Frohnau.
Am 1. November 1936 wurde Felix Krajewski zum Kuratus der neuen Gemeinde erhoben, die am 31. Januar 1937 in ihrer neuen Kirche die erste Heilige Messe feiern konnte. Der 31. Januar 1937 gilt darum als offizielles Gründungsdatum der Gemeinde. Der Bitte von Pfarrer Krajewski entsprechend, genehmigte das bischöfliche Ordinariat Berlin im Februar 1937 die Erwählung der Hl. Hildegard zur Schutzpatronin der Gemeinde. Die Umgestaltung der Kirche und vor allem die Schaffung der baulichen Voraussetzungen für die Weihe nahmen dann noch einmal drei Jahre in Anspruch. Am 13. Oktober 1940 weihte der damalige Bischof von Berlin, Konrad Graf Preysing, die Kirche. Das Gebiet der am 2. Mai 1941 zur selbständigen Pfarrei erhobenen Gemeinde umfasste Frohnau, Glienicke, Schönfließ und Stolpe.
Die Kirche wurde nach der ersten zunächst provisorisch den katholischen Anforderungen entsprechenden Einrichtung im Laufe der Jahrzehnte mehrfach umgebaut und renoviert. Augenfälligste Veränderung war die Unterteilung der ursprünglich drei großen Turnhallenfenster in dem Charakter einer Kirche eher entsprechende sechs schmale Fenster. Die Glasfenster mit Daten und Motiven aus dem Leben der Heiligen Hildegard wurden vom Berliner Kunstmaler Latazki entworfen und in den Jahren 1952 bis 1954 eingebaut. Die Fenster der als „Mariennische“ bezeichneten Seitenkapelle mit dem Marienaltar stammen von Hans Breinlinger aus Konstanz, der auch die Bilder des Kreuzwegs schuf. Das Fenster nahe dem Marienaltar zeigt die 15 Geheimnisse des Rosenkranzes, das mittlere verschiedene biblische Szenen von Schuld und Sühne, Reue und Vergebung. Das dritte Fenster schließlich ist eine Stiftung einer Frohnauer Familie als Votivgabe an Maria und stellt die Erscheinung der Mutter Gottes in Fatima dar. Die beiden Engelsfenster neben dem ehemaligen Portal und die Fenster an der Orgelempore wurden 1962 nach Entwürfen des Berliner Glasmalers Corazolla gefertigt. Das mittlere Emporenfenster zeigt David, der mit seinem Harfenspiel den bösen Geist am Hofe König Sauls vertreibt. Das Kirchenportal ist ein Auftragswerk des Frohnauer Bildhauers Lotter, der ebenfalls das aus einem massiven Baumstamm geschnitzte Gedenkkreuz auf dem Kirchhof geschaffen hat. Die 1925 durch die evangelische Gemeinde eingebaute vollpneumatische Orgel der Firma Sauer (eine sehr viel kleinere Schwester der Orgel im Berliner Dom) ist nach verschiedenen Restaurierungen bis heute als eines der wenigen noch in ursprünglicher Technik voll bespielbaren Instrumente für die Kirchenmusik an St. Hildegard nutzbar.
Das dreiteilige Altarbild zeigt Christus am Kreuz, Maria und Johannes. Das Mittelteil „Christus am Kreuze“ stammt aus der Berliner Hedwigs-Kathedrale und wurde der Gemeinde im Zuge der Renovierung der Kathedrale im Jahr 1937 überlassen. Es ist nach dem Urteil von Experten ein Werk entweder aus der Schule des zur Zeit Friedrichs II. bekannten Malers Pesne oder sogar von ihm selbst. 1946 wurden die beiden Bilder der Maria und des Johannes durch Professor K. Pfeiffer aus Hermsdorf ergänzt. Dabei standen dem Künstler ein Mädchen und ein Junge aus der Gemeinde Modell.
Die Madonna auf dem Marienaltar, die Statue des heiligen Antonius und die Pietá stammen von der Berliner Bildhauerin Frieda Winkelmann, einer Freundin von Käthe Kollwitz. Die Madonna ist bemerkenswert und von theologischer Aussagekraft, als sie das Jesuskind in beiden Händen trägt und wie in einem Nest zu bergen scheint, zugleich aber von sich weg den Menschen darbietet. Frieda Winkelmann, eine Schülerin des Hamburger Künstlers Ludwig Kunstmann, riet der Gemeinde auch dazu, ihren Lehrer die Plastiken an der dem heutigen Hof zugewandten Fassade der Kirche fertigen zu lassen. Im Juni 1948 konnten die aus Elbsandsteinblöcken hergestellten Darstellungen der beiden Patrone des Bistums Berlin, Petrus und Otto von Bamberg, der Heiligen Hildegard und des Gotteslammes (über dem ehemaligen Eingang) aufgestellt werden.
1987 erfährt die Kirche eine grundlegende Umgestaltung durch den Frohnauer Bildhauer und Gemeindemitglied Paul Brandenburg zur Anpassung an die nach der Liturgiekonstitution des zweiten Vatikanischen Konzils geänderte freistehende Anordnung des Altares.